Die Galvanik im Wandel der Zeit

Für die Allgemeinheit ist Galvanik nur eine Technik unter vielen und wohl sehr wenige von uns wären im Stande, deren Ursprung anzugeben oder gar noch deren Entwicklung im Lauf der Jahre zurückzuverfolgen. Aber die Galvanik ist viel mehr als eine Technik im wahrsten Sinne des Wortes; sie ist eine regelrechte Kunst, die Bewunderung verdient und deren Anwendungen sich stets vermehren und an Bedeutung gewinnen.

In den folgenden Abschnitten versuchen wir deren Geschichte, vom Ursprung bis heute zu überfliegen.

Ursprung

Es ist unmöglich, die Ursprünge der Galvanik genau festzulegen aber man darf annehmen, dass sie mindestens dreitausend Jahre alt ist. In der Tat befanden sich in den antiken Grabstätten von Theben und Memphis verschiedene Objekte wie Vasen und Statuetten aus gebranntem Ton, Säbelklingen und Holzpfeilspitzen, welche mit einer feinen Kupferschicht überzogen waren. Somit lässt sich erahnen, dass die Ägypter in der Antike bereits ähnliche Verfahren wie die auch heute noch eingesetzte Kupfergalvanik angewendet haben. Wie liesse sich sonst die Herstellung von lebensgrossen Statuen im Museum Kairo erklären, welche mit einer feinen Schicht rotem Kupfer überzogen sind und dabei nur knapp 6 kg wiegen?

 

Man muss zugeben, dass solche Werke nur durch Ablage von Kupfer aus einer konzentrierten Lösung der entsprechenden Kupersalze wie z.B. Acetat, Sulfat oder Tartrat auf eine aus Holz geschnitzte Statue abgelegt werden konnten. Dazu musste die Oberfläche der Statue vorgängig durch Auftrag einer feinen Goldkörnung oder durch Bedeckung mittels feiner Folien aus Gold oder Silber metallisiert werden. Dabei brauchte es keinen Strom um das Kupferdepot abzulegen; es genügte einfach Zinkplatten in der Kupferlösung mit der Statue einzulegen, welche sich in Kontakt mit deren metallisierten Oberfläche befanden. Dies bewirkte in der Folge einen konstanten Ionenaustausch. Sobald das Kupferdepot dick genug war, wurde die verkupferte Statue aus dem Bad entnommen und bei mildem Feuer getrocknet.  Anschliessend wurde durch Erhöhung der Hitze die Reduktion des Holzgestells in Asche erwirkt. Heute weiss man, dass ein solches thermisches Verfahren nicht nur die Kupferablage durch Homogenisieren der Struktur stabilisierte, sondern diese durch Zerstreuung auch noch verfeinerte.

 

Dies sind zwar nur Annahmen, aber betrachtet man die Genauigkeit des Pyramidenbaus ist es erlaubt zu fragen, ob die Ägypter zu dieser Zeit nicht bereits über sehr fortschrittliche Techniken verfügten und weshalb sie vielleicht nicht auch bereits Strom produzieren konnten?

16. Jahrhundert

Plinius der Ältere erwähnte die Vergoldung und Versilberung aus Verbindung mit Nickel bereits zur damaligen Zeit unter den gängigen Verfahren zur Verzierung von Waffen und Bronzeobjekten. Später beschreibt der Mönch Theophil, Benediktiner der Abtei Helmershausen in einem Lehrbuch über verschiedene Künste minutiös die Praktik der Vergoldung mit Quecksilber; die Vorbereitung der Mischung durch warme Auflösung von Gold im Quecksilber, deren Filtration durch eine Hirschhaut um das überschüssige Quecksilber zu entfernen, deren Applikation mit einer Bürste auf die zu vergoldenden Objekte und schliesslich die Verdampfung des Quecksilbers durch Wärme.

 

Der Mönch Theophil beschreibt ebenfalls das Schlagen von Gold und Zinn zwischen Pergamentblättern, die Vorbereitung der Edelmetalle als Pulver, die Herstellung des niellierten Silbers, die Werkzeuge des Goldschmieds und des Graveurs sowie das Härten des Stahls.

19. Jahrhundert

Während die Versilberung mit Quecksilber komplett aufgegeben wurde, wird die Vergoldung mit Quecksilber immer noch praktiziert. In einem Rapport der Münz- und Medaillenadministration zu Handen des Finanzministers wird sogar erwähnt, dass man im Jahre 1921 für die Vergoldung mit Quecksilber 12 Kilogramm Gold zu 98,5 % benötigte; dieses Gewicht fiel auf 7 Kilogramm im Jahr 1930 und nur auf 3,6 Kilogramm im Jahr 1935. Heutzutage gibt es immer noch einige «Quecksilber-Vergolder»; diese sind jedoch zumeist auf die Reparatur von Gegenständen aus dieser Zeit spezialisiert. Unter Verwendung des Stroms aus einer Batterie, welche durch den Physiker Volta einige Jahre zuvor erfunden wurde, gelang es einem anderen italienischen Physiker, Brugnatelli, im Jahre 1805 Gold auf die in einer gold-chloriden Lösung eingetauchten Objekte aus Silber abzulegen. Dieses Phänomen, welchem die damaligen Gelehrten nicht die entsprechende Wichtigkeit zukommen liessen, wurde einige Jahre später durch Spencer in England, de La Rive in der Schweiz (1825) und Antoine Becquerel in Frankreich (1829) weiter erforscht. Aus deren Arbeiten entstanden jedoch keine konkreten Anwendungen. Andererseits erfand der russische Physiker Jacobi, nach Übernahme der Forschungsarbeiten von DELARUE über die Funktionsweise der Batterie von Daniell, das heute noch angewandte Verfahren der Galvanoplastik mit Kupfer.

 

Beim Experimenten zur Auswirkung des elektrischen Stroms auf Gold- oder Silbersalze haben die Gebrüder Elkington in England und der Graf Henri de Ruolz-Montchal in Frankreich erkannt, dass es durch den Ersatz der neutralen oder sauren Lösungen mit Lösungen aus Gold- und Silbersalzen und einem Überschuss an Kaliumzyanid oder Kaliumhexacyanoferrat möglich ist, eine haftende Schicht Gold oder Silber auf die mit dem Minuspol verbundene Elektrode der Stromquelle aufzubringen.

Ab diesem Zeitpunkt kann man annehmen, dass die Entdeckung der Vergoldung und Versilberung durch Elektrolyse erfolgt war. Dies war tatsächlich auch die Geburtsstunde der Galvanik. Bemerkenswert ist, dass die Gebrüder Elkington am 27. September 1840 ein Patent in England erwarben, während de Ruolz-Montchal, der sie nicht kannte, am 19. Dezember des gleichen Jahres in Frankreich ebenfalls ein Patent erwarb. Ab 1850 verbreitete sich die Entwicklung der Galvanik für Edelmetalle und vor allem auch für gewöhnliche Metalle. Die ersten industriellen Erzeugnisse basierten dabei tatsächlich auf der Galvanik im wahrsten Sinne des Wortes und nicht auf der Elektrolyse im Allgemeinen. In der Tat besteht die Galvanik in der Kunst der «Reproduktion» eines beliebigen Gegenstandes, was man heutzutage in der wissenschaftlichen und der technischen Sprache als «Elektroformung» bezeichnet. Mit diesem Verfahren wurden vorwiegend Medaillenabdrücke hergestellt. Dabei war die Ablagegeschwindigkeit äusserst langsam, da man einerseits nur über leistungsschwache Batterien verfügte und andererseits die Metallsalzlösungen immer wieder rasch ersetzt werden mussten.

 

Trotzdem war es möglich, sehr gute Ergebnisse zu erzielen, da die Feinkörnigkeit und die Haftung durch die langsame Ablage der Metalle begünstigt wurde. Nach und nach näherte man sich der industriellen Elektrolyse zur metallischen Beschichtung bei der Herstellung von Dekorationen. In dieser Zeit sprach man noch nicht von Korrosion oder zumindest kümmerte man sich erst wenig darum. Die Erfindung des Dynamos, der famosen Gramme-Maschine, revolutionierte die Galvanotechnik. Ab diesem Zeitpunkt verfügte man über Gleichstrom nach Belieben ohne Begrenzung der Leistung und «Alles» wurde möglich. In der Folge erschienen die ersten Verkupferungs- und Vernicklungsbäder. Klar waren die so hergestellten Beschichtungen matt und schwierig zu verstärken; dies hat aber auch zur Gründung einer neuen Zunft, der Feinpolierer und der Auffrischer geführt.

 

Mit dem Aufkommen der Hochglanzbäder ab etwa 1955 und damit noch gar nicht so lange her, scheint diese Zunft jedoch zu verschwinden. Bis dahin, also beinahe während eines Jahrhunderts wurde die Galvanotechnik durch das Polieren und Auffrischen geprägt. Ohne vorgängiges Polieren und Aktivieren der Oberfläche war die Fertigung nicht möglich. Man muss aber zugeben, dass mit dieser Methode trotz ihres hohen Preises nicht unbedeutende Vorteile auf die Fertigstellung wie auch auf den Korrosionsschutz resultieren und so auch heute noch ein Kernstück der elektrolytischen Beschichtungen darstellen.

 

Selbst durch die heute in der Hochglanz-Galvanik verwendeten ausgleichenden Bäder ist der durch Polieren erzielte Feinheitsgrad noch bei Weitem überlegen. Die auffrischende Fertigung ergibt auf das Metall eine Kriechtätigkeit, welche sowohl Feinheit wie auch Glanz erzeugt. Zudem wird durch diese Kriechtätigkeit die Verfüllung der Poren verstärkt und in der Folge erhöht sich auch der Korrosionsschutz.

 

Man könnte beinahe behaupten, dass zwischen 1850 und 1950 die Glanzzeit der Galvanik war. Die Polierer und die Vernickler – so nannte man sie – arbeiteten mit Herzblut. Sie übten ihren Beruf fachgerecht und mit Leidenschaft aus.

Vom 20. Jahrhundert bis heute

Als Grossmeister der Galvanik galten dann Roseleur in Frankreich und Langbein-Pfanhauser in Deutschland. Ihre Galvaniklehrbücher wurden mehrmals aufgelegt und heute sind sie selbst auch zu überrissenen Preisen praktisch nicht mehr auffindbar. Sie berichteten auf einfache und vor allem ehrliche Weise über die Phänomene der industriellen Elektrolyse. Mit vielen Details beschrieben sie die Art und Weise, wie man ein Bad vorbereitet und wie man einen Ausfall beheben kann. Sie gaben alle praktischen Tipps zum Gelingen dieser oder jener Beschichtung preis und strichen die vorbereitenden und entscheidenden Vorgänge dabei hervor.

 

Es war die wunderbare Zeit, in welcher man die simple Wahrheit über die Technik oder auch andere Themen aussprechen konnte, ohne gleich von Inhabern trügerischen Patente oder Pseudo-Wissenschaftler, welche sich lange vor Ihrer Geburt gemachte Entdeckungen aneignen, angegriffen zu werden. Jahrzehntelang kannte man nur den Einsatz von Kupfer und Nickel und erst durch den ersten Weltkrieg erfolgte das schüchterne Auftreten von Chrom. Trotz diverser Kontroversen über dieses Thema war damit die Beschichtung mit Chrom in Form des Hartchroms geboren. Aufgrund seiner mechanischen Eigenschaften und insbesondere dessen Härte war es sehr gefragt. Für die Anwendung in der Dekoration benötigte es noch mehrere Jahre, bis die Präzision und die idealen Abläufe erreicht werden konnten. Da man zu dieser Zeit noch kaum über eine effiziente Kontrolle der elektrolytischen Lösungen verfügte war man dem absoluten Empirismus unterworfen und trotzdem wurden gute Resultate erzielt. Zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg erfuhr die galvanische Beschichtung grosse Fortschritte. Die ersten automatischen Installationen sowie die Trommel für Elektrolyse von Schüttgut kamen auf. Um ca. 1930 erschienen die ersten Stromgleichrichter und ersetzten nach und nach die Dynamos, mit deren vergleichsweise schwachen Leistung. Die Abscheidung der Legierungen, insbesondere auch von Messing, brachte eine grosse Verbesserung beim Korrosionsschutz von Stahl. Ausserdem erlangten die Kadmiumabscheidungen grosse Beliebtheit; ganz speziell für die Schüttguttrommeln, da man seit 1935 im Stande war, dank dem Zusatz von Lakritze, glänzende Ablagen zu erzeugen. Zur gleichen Zeit konnten die ersten warmen Nickelbäder realisiert werden. Gegenüber den klassischen Lösungen bei Raumtemperatur erlaubte dies eine um vier bis fünfmal höhere Ablagegeschwindigkeit. Knapp vor dem zweiten Weltkrieg, in den Jahren 1937/38, erfand der deutsche Ingenieur Max Schlötter erstmals das glänzende Nickel durch Gebrauch eines sulfonierten Derivats von Naphthalin und Saccharin. Leider wurde dieser Fortschritt durch den Konflikt während vier Jahren vollständig gestoppt; zumindest für den allgemeinen Gebrauch, denn gleichzeitig wurde es bereits für die Kriegsmaschinerie eingesetzt.

 

Als wieder Friede herrschte, brauchte es noch einige Jahre, bis sich die zivile Industrie wieder erholen konnte und die Galvanik lebte dann in den fünfziger Jahren wieder auf. Dieses Mal waren die Fortschritte jedoch rasant. Innerhalb weniger Jahre tauchten die glänzenden Bäder auf, dann die ausgleichenden Bäder, das elektrolytische Polieren, das chemische Glanzpolieren, die Passivierung, die Hartanodisierung des Aluminiums und seiner Legierungen, die Silberbäder mit harter und glänzender Ablage, Bäder zur chemischen Vergoldung in sauren und sulfitigem Milieu, Bäder aus Bronzelegierungen mit gegen Korrosion resistenten Ablagen, Chrombäder mit fluorkieselsaurem Katalysator, Schwarzchrombäder, welche oft für die Gewinnung von Sonnenergie eingesetzt werden, Vernicklungsbäder mit Sulfamat, welche bei der Elektroformierung eine Erhöhung der Geschwindigkeit der Ablage um 7 µm pro Minute erlauben, chemische Bearbeitungsbäder sowie Lösungen zur katalytischen Ablage  gewisser Metalle, wie zum Beispiel für die chemische Vernicklung und Vergoldung. Insbesondere in den Bereichen der Präzisionsmechanik und der hochkomplexen Bearbeitung fanden die spektakulären Neuerungen in der der Galvanik ihre Anwendung. Diese Entwicklungen verleihen dem Metall eine ausserordentliche Härte bei gleichzeitig sehr tiefem Abriebkoeffizient. Die Kombination dieser zwei Qualitäten sind bei vielen Industrien sehr gesucht; so zum Beispiel für Abriebteile in thermischen Motoren, Spritzgussformen, bei der Pneuherstellung, beim Glasguss, für Hubzylinder jeglicher Art sowie auch für Hubmaschinen oder beim Schreitausbau in Kohle- oder Kaligruben, usw.

Die Nickelabscheidung, welche Siliziumkarbid in Form von Einschlüssen enthält, leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der vorgenannten Qualitäten. Eine dem Hartchrom verwandte Technik bietet sogar noch bessere Möglichkeiten in diesem Bereich und erlaubt die Abscheidung einer ausserordentlich harten Beschichtung. In diesem Fall handelt es sich um eine Chrom-Wolframlegierung mit der Bezeichnung «Hardalloy W», an deren Entwicklung die Firma Estoppey-Addor aktiv teilgenommen hat. Dessen Härte ist dem klassischen Hartchrom um zumeist 6-8 Rockwell C überlegen, während dessen Abriebkoeffizient gleichzeitig tiefer liegt. Diese neue Legierung wird in den kommenden Jahren starke Verbreitung finden, da sie Belastungen und Beanspruchungen widerstehen kann, welche die klassische Hartchromablage nicht erfüllen kann.

 

Es zeichnet sich ab, dass die Technik der Hardalloy W Legierungsabscheidung eine der markantesten Entdeckungen in der Galvanik der jüngsten Vergangenheit darstellt, welcher den Bereich der Tribologie betrifft. Wir sind heute weit entfernt von den scheuen Versuchen Jacobis oder den Erfolgen von Roseleur und Pfanhauser und wollten daher mit dieser Schrift den Oberflächenbeschichtern von heute den Wandel der Galvanik im Lauf der Geschichte aufzeigen. Denn wir erachten es als wertvoll, von Zeit zu Zeit zu den Quellen zurückzugehen, insbesondere auch um die umfassenden Versuche unserer Vorgänger zu würdigen.

 

Quelle: Estoppey-Addor AG, CH-2502 Biel/Bienne
Dieser Text darf nur mit schriftlicher Einwilligung von Estoppey-Addor AG reproduziert werden